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den 01.11.1921

Liebe, geliebte Hannah!

Es war mir eine so tiefe Freude, Deine Stimme zu hören, und ein Schmerz, daß sie nein sagte. Und doch ist es gut so. Ich darf Dich jetzt nicht sehen; denn der magische Zwang, von dem Du heute schreibst, darf nicht sein. Hannah, nimm es einmal noch mit voller Schärfe auf, was ich meine, und was ich täglich besser ausdrücken kann: Ich trenne nicht die Fäden, die Dich mit Albert verbinden, ich trenne nicht Dein Lebensgefühl in Bezug auf ihn, ich trenne nicht die Zukunftsmöglichkeiten in einer Ausgestaltung Eures Verhältnisses. Ich weiß nicht, ob etwas zerbrechen wird, was unter allen Umständen wert wäre zu bleiben. Ich zweifle daran, weil ich einiges sehe, was dagegen spricht. Aber ich sehe nicht alles; das siehst Du nur; und darum kannst Du nur entscheiden, ob Du weg mußt oder nicht. Und dann das Andere: Wenn Du Dich entscheidest, so weiß ich, daß es gut ist, und bin bei Dir und trage mit Dir jede Verantwortung. Denn ich weiß ja, daß mein Sein in Dir die Hoffnung reifen läßt; aber diese unsere Einsicht ist zu| nächst nur innerlich seelisch; und sie darf bei der Entscheidung nicht mehr sein; sie darf nicht äußerer Wille, nicht Zwang und Ruf sein. Ich bin an allem beteiligt, was in Dir geschieht, weil ich in Dir bin; aber ich kann nicht etwas Äußeres tun, dessen eine Seite, den Abbruch, ich nicht übersehen kann! Stell Dir mich in Deiner Lage vor: Hast Du mir nicht einmal gesagt: Bleib bei Greti, wenn Du sie liebst, undDu sie Dich liebt; hättest Du da je sagen können: komm! Aber nun, wo ich gesagt habe: Ich bleibe dort nicht, weil ich nicht geliebt werde, stehst Du ganz zu mir! – So und nur so darf es sein; ein Drittes darf nicht empirisch zwischen zwei Menschen kommen. Kommt vor es innerlich, metaphysisch, so ist es Schicksal und gut. – Und nun Hannah: Handle schnell; ich bin jeder Tatsache gewachsen; aber nicht länger dem Schwanken. – Du hast mich nie gequält; nur könnte Deine Tat sostark schwer für Dich nachwirken, daß Du Deine Schwäche in Bitterkeit gegen mich verwandelst, wie in „Damaskus“ – und Dein einer Brief klang fast so. – Ich will auch keine Bewährung; denn für mich gibt es keinen Zweifel; aber ich will das alte Nein und das neue Ja, so weit es empirisch ist, völlig getrennt haben. Ich will eine Neuschöpfung und keine Veränderung! – Schreib vor allem eiligst nach München!

Paul.
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