Süße geliebte Hannah!
Es ist Abend eines Segel-Sonntags; ich bin müde von Luft und Wasser; aber es ist ein
schönes Müdesein;
nur meine Seele ist leicht und fliegt zu Dir hin und sieht Dich mit Deinem Johannes
an der Brust und
freut sich des süßen Kindes, für dessen Bild ich Dir danke, und freut sich der herrlichen
Mutter,dest
deren ersehntes Bild nicht kommen will. – Mein Hannahchen! Fürchte nie, daß ich Dein
Kind nicht lieb
haben werde; denn ich liebe Dich ja als Mutter, und ich wollte, daß Du Mutter würdest,
liebende, urmenschliche
Mutter! Und ich litt fast darunter, daß Du so negativ zu dem Kind standest! Ich hab
Dich fast gezwungen,
Ja zu ihm zu sagen; wie sollte jetzt auch nur der Schatten eines Nein mich berühren
können. Innerlich
darf es nie einen Konflikt zwischen Mann und Kind für Dich geben. Denn ich liebe,
was Du liebst; und
es darf nichts Trennendes in unserem |
Leben sein, sondern nur Verbindendes, auch
wenn wir daran zu tragen haben! – So ist es innerlich, aber äußerlich ist es ganz
anders. Ich war gestern
sofort nach Empfang Deines Briefes mit Hanno Gelau zusammen. Wir fuhren hinaus und segelten mit dem
Mann und meinem Freund eine Stunde lang. – Es handelt sich in der ganzen Sache nur
um eine Frage: Soll
unser Zusammenleben schon jetzt beginnen oder erst wenn wir verheiratet sind? Das
aber hängt davon ab:
Willst Du in dieser Zwischenzeit im Wesentlichen auf das Kind verzichten, und für
den Beruf und mich
da sein oder willst Du in einem fremden Hause wohnen und Deinem Kind leben? Ich stelle
die Alternative
absichtlich in ihrer ganzen Schärfe heraus, und so daß mein eigner Egoismus unverhüllt
offen liegt.
Mein Gedanke war ein Zusammenleben, das sich von der Ehe nur dadurch unterscheidet, daß
Du pro forma
eine andere Wohnung hast. Hannos Gedanke ist, Dir |
eine Stätte zu geben, wo Du Deinem
Kinde lebst und ich Dich hin- und wieder sehen kann. D.h.Das heißt wir bleiben unverheiratet, ich bleibe Junggeselle
und Du Witwe. – Von dieser Alternative kann nichts nachgelassen werden. Du sollst
bei Gelaus den ganzen
Haushalt führen; d.h.das heißt Du gehörst von Morgens bis Abends der Familie und in den Zwischenzeiten dem Kind;
für mich blieben nur Stunden, die ich durch einen freien Abend oder Nachmittag erkaufen
müßte. D.h.Das heißt
die Zerspaltenheit meines Lebens würde vermehrt. – Und nun die andere Seite: Wenn
Du bei Gelaus bist,
hast Du Dein Kind und eine Dir angenehmere Tätigkeit als Büro, und hättest gegen Eltern und Albert eine
glänzende Position. Bist Du in meiner Nähe, so hast Du schwere Arbeit, kannst Dein
Kind im besten Fall
nur kurze Zeit täglich oder nur alle paar Tage sehen, gibst es in fremde Hände und
hast die Sehnsucht
nach ihm. – Das Gespräch |
mit Hanno hat mir diese Alternative ganz evident gemacht.
Es ist letztlich unmöglich für mich, sie zu entscheiden, da ich im höchsten Grade
beteiligt bin und
es sich letztlich allein um Deine Gefühle handelt. Ich kann nur noch eines tun: Eine
Wohnung für Dich
suchen, wo Du mit Kind wohnen könntest, und die Frau das Kind besorgen würde; aber
das ist sehr
unwahrscheinlich. Rechnen mußt Du mit dem, was ich oben gesagt habe. Hanno ist bereit, die Entscheidung
bis Oktober aufzuschieben; Du hast also Zeit, Dein Fühlen und Wollen genau zu prüfen.
Verzeih die nüchtern-sachliche
Art, mit der ich so etwas schreibe; aber ich muß das; nur dann sehe ich klar, und
nur dann kann ich
Dir sagen, was ich meine, wenn ich ganz klar alle Möglichkeiten bedenke. Wieviel schwere
Gedanken in
diesen nüchternen Worten stecken und wieviel Sehnsucht und Liebe weißt Du ja!
Toni kommt Mittwoch. Schreib sofort an Otto und Albert!