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den 09.11.1921

Hannah!

Meine Seele ist allzeit bei Dir; sie umkreist und umschwebt Dich, sie saugt aus Dir herbe Süße und sie legt in Deinen Schoß Sehnsucht und Schmerz und Glück! Aber sie ist jetzt anders bei Dir als vorher: Auch in mir ist es nicht mehr der Dämon, der mich treibt, sondern es ist ein ernster klarer heiliger Wille. Das ist die erste Frucht, die auf dem Boden meines Verzichtes gereift ist, daß Du mir etwas anderes geworden bist, als zuvor. Du warst die Geliebte, und alles in mir schrie nach Dir, und doch konnte ich noch sein ohne Dich in fremden Ekstasen, unerfüllt zwar, aber doch in Lebensfluten. Jetzt aber fragt meine Seele frage ich Dich: Willst Du mein Weib sein, meine Gefährtin, meine Heimat, Mitkämpferin um meine Seele, Mitträgerin meiner Lasten, von mir gewollt mit der unendlichen Liebe, die sich fortpflanzen will nach oben in die Ewigkeit, nach vorn zu einer neuen Generation. Willst Du mir treu sein mit der innersten Treue, die opfern kann, wovon das Beste darunter beiden würde, daß man sich zerteilt? Willst Du für mein | Leben die Erfüllung sein, und glaubst Du, daß ich es für das Deine sein kann? Noch einmal: Willst Du mein Weib sein im Angesicht der Ewigkeit? Hannah, diese Frage ist etwas Tieferes als was ich Dich je gefragt habe, und darum warte ich auf die Antwort, die ruhige, klare, einfache, nicht mit dem Zittern des Verliebten, sondern mit der Erschütterung des Mannes, der an die letzten Wurzeln seiner Existenz greift. Laß auch Du Dich erschüttern in einer Tiefe, die noch unter allen Ekstasen liegt; und dann antworte mir aus dieser Tiefe heraus; ich warte. Wenn Du aber geantwortet hast, so muß vieles anders werden; wir müssen uns dann sehen, am besten Anfang Januar in Jena oder wo Du willst; ich bin überall für Dich. Und wir müssen dann sehen, was die Heiligkeit dessen, was wir wollen, von uns verlangt. Ich reiche Dir die Hand in tiefster Bewegung und warte auf die Deine!

Dienstag, d. 9. November, abends 9 Uhr.

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