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Berlin-Friedenau, Taunusstr. 1, den 10.11.1924

Hochverehrter Herr Professor!

Nachdem ich in den letzten acht Tagen noch einmal alle Seiten der Frage meiner Übersiedlung durchdacht und durchgesprochen habe, bin ich zu dem nunmehr endgültigen Entschluss gekommen, nach Marburg zu gehen. Ich bitte Sie, der Fakultät davon Mitteilung zu machen. Ausschlaggebend ist für mich vor allem der Gesichtspunkt gewesen, dass es mir dadurch möglich ist, an die großen theologischen Vorlesungen, Dogmatik I und II, Ethik, Dogmengeschichte und Geschichte der protestantischen Theologie heranzukommen. Die Unterhaltung mit Herrn Professor Rade über diesen Punkt war für mich sehr bedeutungsvoll. Dass ich daneben meine mehr philosophischen Vorlesungen Religionsphilosophie, Geistesgeschichte der Philosophie, Geschichtsphilosophie und Metaphysik lese, wird ja keine Schwierigkeiten machen. Für das nächste Semester habe ich im Einverständnis mit Herrn Professor Rade und Herrn Professor Hermelink eine vierstündige Vorlesung über „Geistesgeschichte der protestantischen Theologie“ in Aussicht genommen. Als Übung käme in Frage meine hier in Berlin angekündigte Übung über „Profane und religiöse Utopien“. Über die Zeit der Vorlesungen gebe ich noch rechtzeitig Nachricht.

Ich bitte Sie nun, von meinem Entschluss dem Ministerium Mitteilung zu machen und zugleich den Antrag auf Ernennung zum ausseretatsmässigen Extraordinarius zu stellen, evtl.eventuell mit der Bitte um möglichst schnelle Erledigung, da ich unter allen Umständen vermeiden möchte, vor dieser Ernennung nach Marburg überzusiedeln. Was den Umzug betrifft, so kommt die Wohnung, von der Sie schrieben, als Tauschwohnung nicht in Betracht, da sie für die Zukunft kein ausreichendes Tauschobjekt ist, ich könnte sie nur mietweise übernehmen. Dagegen stehe ich noch wegen einer anderen Wohnung in Verhandlung. Es ist mir nun nicht klar, wann ich die in Aussicht gestellten Umzugsgelder von Ministerium anfordern soll, ob vor oder nach vollzogenem Umzug. Im zweiten mir wahrscheinlicheren Falle besteht ja die Möglichkeit, dass es sich noch länger hinauszieht, bis sich eine geeignete Tauschmöglichkeit gefunden hat. Und es könnte dann die Frage entstehen, ob das Geld in diesem Falle noch verfügbar ist. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn dieser Punkt sich noch aufklärte.

Ich werde spätestens kurz nach Ostern in Marburg sein und hoffe auf schöne gemeinsame Arbeit.

Mit ergebensten Gruß
Ihr P. Tillich
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