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den 01.01.1921

Geliebte Hannah!

Es war überwältigend für mich, als ich Deine Stimme am Telephon hörte. Fast erschrak ich und dachte, Du wärst in Berlin. Dann freute ich mich, daß es Dir gut ging. Dann litt ich unter dem Ton Deiner Stimme, der eine Fortsetzung des Tones Deines Briefes war. Schreibe nicht, wenn Du nicht schreiben kannst, oder nur Sachliches, wie es Dir geht, damit ich mich nicht sorge! Ich will nichts mehr schreiben, was wie eine Bitte an Dich aussieht; ich will nichts mehr sagen, was Du mit Spott beantworten kannst. Ich will nur sagen: Noch bin ich da, noch warte ich; aber nicht immer werde ich dasein, nicht immer werde ich warten. Nicht immer werde ich um Dich leiden; wenn es sein muß, wenn Du nicht groß genug bist, große Liebe zu ertragen, dann werde ich auch diesen Schmerz aus mir herausschneiden, wie jeden anderen, und mehr und mehr erstarren; und ich werde Dich weder hassen noch verachten, sondern bloß mein Schicksal darin verehren, das mir auch dieses Letzte tat. In einer Nacht glaubte ich alle Härte zu Dir hin lösen zu dürfen; Hannah, solche Stunden können nicht zurückgenommen werden! Sie wirken Fluch, wenn ihr Segen verschüttet wird! Ich warne Dich um dieser Stunde willen, Hannah! Spiele nicht, auch nicht mit den Bällen Frei und Abhängigkeit! Hier war mehr als Freiheit. Ich will auch nichts wissen von einer Einfalt vor Gott, die in kindischer Trieb-Stimmung heiligste Stunden entwirft – durch Vergleiche wie den zwischen Deinem Verhältnis zu Ilsemargot und zu mir! Hannah laß mich nie an Deinem letzten Ernst zweifeln. Und „Blumen und Vögel" sind die Flucht vor diesem Ernst, eine Flucht, die ich fast den Worten nach schon von Greti her kenne. – – –

So geschrieben am Tage nach dem Telephongespräch. Inzwischen in Dölzig angekommen.

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