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den 01.01.1921

Geliebte Hannah!

Es ist Abend, Frl. Rudolf ist zum Atelierfest bei Maler Egli, unserm „möblierten Herrn“ und Ernährer,zum Atelierfest, und ich muß warten, bis sie kommt, damit sie meine Zimmer lüften und mein Bett machen kann; denn noch immer liege ich, wenn auch fast ohne Fieber, so doch sehr matt und bettfreudig – Gestern war lange Lotte Storch bei mir, und wir haben mancherlei besprochen; zunächst den Grund, warum mein Brief sich so versäumt hat: Familie Storch hat ihn ein paar Tage liegen lassen; so etwas trifft ja immer, wenn es am wenigsten erwünscht ist. – Dann sprachen wir über mein eventuelles Kommen nach Greiz, etwa vom 4. bis 9. Jan.; sie wäre bereit, selbst mit Hülfe einer Mogelei gegen die Schule, dann auch zu kommen, da 4 günstiger sind als 3. Du müßtest dann Marie Luise eventuell vorher wegschicken (sie hat übrigens vorhin rührender Weise angeklingelt, wie es mir | geht). Du mußt das bald entscheiden; am Mittwoch will ich nach Bremen fahren (Adr. Bei Pastor Fritz. Georg-Gröningstr. 40). Von dort würde ich kommen. – Aber nun eines, was aus meinem Gefühl kommt, aber von Lotte Storch sehr unterstützt wurde: Kannst Du nicht Deinem Mann sagen, daß wir uns infolge der Bälle, auf denen man sich „Du“ nennt, das „Du“ beibehalten haben, und Du es ihm nur damals als er so unruhig war, nicht hättest sagen wollen … jetzt aber …; das würde unserm Zusammensein die Form der Schauspielerei nehmen und alles sehr erleichtern; ich möchte Dich ganz stark darum bitten; denn ohne das wäre gerade das Ziel dieses Zusammenseins, die Fühlung mit Albert (den ich jetzt erst visionär sehe) a priori vereitelt. Bitte ja! – Ich erlebe so vieles in der Ruhe des Bettes, was sonst der Tag verschüttet hätte! – Schreibe von Montag Nachmittag ab direkt nach Bremen!

Dein Paul.
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