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Göttingen 14. 4. 33

Lieber Paul,

eben lese ich in der Zeitung – unter einer Reihe mir schrecklicher Namen, bei denen ich keinen Schmerz empfinde – zu meinem Schmerze auch Deine Beurlaubung. Ich bedaure, daß damit eine bei Dir schon in Deinem letzten Buch spürbare Hinüberentwicklung zum Nationalsozialismus, zu dem gehörst (auch wenn Du es noch nicht weißt) und dem Du ein kluger und verantwortlicher geistiger Führer hättest werden müssen, so jäh in Frage gestellt wird. Meine herzliche Bitte ist, Dich – Du bist ja ein innerlich gelöster Mensch – nicht beirren zu lassen, sondern rein fachlich weiter Dich dahin zu stellen, wo Du hingehörst, ins neue Deutschland. Bittere Existenzsorgen wirst Du ja nicht bekommen, da Du mit Deinem Kriegsdienst zusammen wohl an 20 Jahre Dienstalter haben wirst, und so kann noch alles gut werden.

Grüß Hannah. In Liebe, und in Ehrfurcht vor Deiner Wahrhaftigkeit, und mit der Bitte: Halte das Band mit mir,

Dein alter Emanuel.

Ich spüre in diesen Wochen mehrmals, daß ich so sehr einflußlos bin. Ich hatte gedacht, 14 Jahre treuer und leidenschaftlicher Kampf für das neue Deutschland immer in der theologischen und kirchlichen Denklinie würden jetzt mein Wort und meinen Rat in den Dingen und Menschen, die ich urteilen kann, suchen lassen. Aber das ist nicht der Fall. Am 20.4. haben wir nationale Dozenten mit dem Rektor und den Studenten zusammen eine große Feier, ohne Unterschied von Deutschnationalen und Nationalsozialisten.

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    • Tillich, Paul, Die sozialistische Entscheidung, Potsdam 1933