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25. 11. 29.

Sehr verehrter Herr Professor!

Es ist mir nun doch nicht gleichgültig, daß Sie etwas lächelnd als Tatsache hinnahmen, was einem Mißverständnis entsprungen ist. – Aus einem seltsamen Vertrauen heraus habe ich Wesentliches oder Wesenhaftes von mir gesagt u. auch einiges aus meinem direkten Leben suggeriert, von einem Brief gesprochen usw. Die angedeutete Freundschaft oder besser "Liebe" ist, obwohl sie seit längerem besteht und in ihrer besonderen Schönheit dauern wird, zart geblieben. Es beherrscht sie – allerdings durch meinen Willen – der Eros der Ferne. Ich habe auch zurzeit keinen Geliebten oder einen Mann, mit dem ich lebe, wie ja überhaupt der Eros der Nähe, obwohl ich ihn nicht ganz ausschalten möchte, ein recht seltener u. sehr gewählter Gast ist. Ich halte es doch für irgendwie wichtig, dies zu bekennen, nach allem, was ich gesprochen habe. Das Bild wurde zu falsch. Schreiben läßt sich das überhaupt sehr schwer, u. ich tue es auch nicht gern, da Dritte diesen Brief, der so ganz auf ein Gespräch zwischen zwei Menschen abgestimmt ist, wohl etwas merkwürdig finden würden. (Das Beste wird wohl sein, Sie vernichten ihn gleich.) –

Nun habe ich noch gar nicht "von uns" gesagt, u. ich möchte es auch nicht. Man kann u. soll es nicht denken u. sagen, was wie eine Welle zwischen zwei Menschen zu schwingen beginnt.| Nur soviel:

Ich bin geöffnet jedem tiefen, echten Klang, der durch meine Sphäre dringt oder gar in ihr ist. Und die Seiten meiner Seele zittern beim leisesten Wind, der im höheren Sinne eine Sehnsucht zu uns trägt.

Meine Augen u. meine Ohren hatten heute einen seltenen Eindruck, den sie durstend, freudig u. dankbar aufnahmen u. immer behalten werden, selbst wenn wir uns nicht mehr sehen sollten. Ja, ich gestehe ein wenig Angst vor einem wirklichen "Wiedersehen" zu haben, da mich das erste Sehen schon stark berührte!

Doch, ich will es ganz in Ihre, wie ich glaube, klugen, feinen Hände legen.

Rhe.
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