Brief von Charlotte an Paul Tillich vom 15. Dezember 1928

|
DLeipzig, 15. Dez. 28.

Geliebter Freund!

Ich muß es Ihnen ganz ernst und ruhig sagen, nein nicht so, ich lege meine Arme um Ihren Hals, ich schmiege mich zärtlich an Ihren Körper, ich stehe auf den Zehen und Sie müssen ein wenig den Kopf neigen, so kann ich es in Ihr Ohr flüstern: ich habe mich Ihnen ja schon geschenkt. Ich bin ja schon Ihre Geliebte, es ist ja alles schon geschehen!

Warum machen Sie sich Sorgen um mich? Das Spiel der Großen nannten Sie unsere Blick-Sprache im Zug. Das Spiel der Großen, so ist auch unsere Liebe, unsere Leidenschaft. Ein Spiel, ich weiß das doch. Warum zögern Sie noch? Bin ich denn so vermessen, mir einzubilden, in Ihre Ehe störend einzudringen? Nein, Ich will nur meinen Teil von Ihnen, der mir zukommt, mir allein! Fühlen Sie denn nicht, daß Sie mir etwas geben müssen? Wollten Sie schon jetzt gehen, wie geizig wären Sie! Was ich Ihnen schon gegeben habe, ist so viel, und was ich noch verschwenderisch weiter geben will, davon wollen Sie träumen.

Entführen Sie mich endlich, endlich! Warten Sie nicht so lange! Und dann lassen Sie mich getrost allein, ich bin nicht so hilflos, wie Sie denken.

Warten Sie nicht länger, es ist die Zeit der Reise nun gekommen! Ich weiß etwas Feines! Doch davon in Dresden, am Montag früh bin ich wieder da.

    Entität nicht im Datensatz vorhanden

    Personen:

    Orte: