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D. 27. Dez. 1917.

Lieber Papa!

Herzlichen Dank für Deinen Weihnachtsbrief; hoffentlich hast Du nun auch die Antwort auf Deinen vorigen Brief bekommen! Auf die Künstlermonographie freue ich mich sehr; hoffentlich habe ich sie noch nicht! – Vor allem eine Frage, für die ich Dich um sofortige Antwort auf Postkarte bitte (aber im Kuvert!): Wenn ich auf Urlaub komme, was und für wieviel Geld soll ich mitbringen; ich muß es wissen, um unserem Marketender den Auftrag nach Brüssel mitzugeben! – Die Weihnachtstage waren recht schön; Heilig Abend hatte ich in einer eiskalten Kirche 3 Gottesdienste hintereinander, was zum Anfrieren war! Am nächsten Tag 2 mit 3 Stunden Fahrt, und am 2ten Feiertag wieder 2 mit 4 Stunden Fahrt. Aber bei dem herrlichen Winterwetter war es die reine Freude. Sylvester und Neujahr ist es ebenso; hoffentlich hält sich der Schnee solange. Hier in unserem Blockhaus mitten im Walde ist es wie im Knusperhäuschen| von Hänsel und Gretel. Und auch zu knuspern gab es die Weihnachtstage noch eine ganze Menge! Die Wissenschaft war natürlich sichtbar. – Wirst Du im Konsistorium bleiben als "Emeritus" (ein unerfreuliches Wort!)? Ich hoffe es sehr für Dich! – Die Entwicklung im Osten ist ja recht erfreulich. Der Geist der russischen Revolutionäre ist das Originellste, was der Krieg gebracht hat: kindlich, einfach, tief, menschlich! Die Telegramme Trotzkis unddas der Waffenstillstandsvertrag sind nach meiner Empfindung mehr von original christlichem Geist erfüllt, als sämtliche Feldpredigten in allen Ländern westlich der Weichsel! Sollte hier auf dem Boden der alten griechischen Mystik, durch den mystisch-einfältigen Charakter des russischen Volkes eine neue Epoche der Kirchengeschichte aus den Windeln unerkennbarer Anfänge kriechen? Der Westen hat die soziale Idee geschaffen, sollte der Osten sie durchführen? Das sind so Weihnachtsideen 1917! – –

Und nun ein gutes und trotz allem schönes 1918!
Dein Paul.
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