Lieber Papa!
Herzlichen Dank für Deinen Weihnachtsbrief; hoffentlich hast Du nun auch die Antwort
auf Deinen vorigen Brief bekommen! Auf die Künstlermonographie freue ich mich sehr;
hoffentlich habe ich sie noch nicht! – Vor allem eine Frage, für ↓die ich↓ Dich um sofortige Antwort auf Postkarte bitte
(aber im Kuvert!): Wenn ich auf Urlaub komme, was und für wieviel
Geld soll ich mitbringen; ich muß es wissen, um unserem Marketender den Auftrag nach
Brüssel mitzugeben! – Die
Weihnachtstage waren recht schön; Heilig Abend hatte ich in einer eiskalten Kirche
3
Gottesdienste hintereinander, was zum Anfrieren war! Am nächsten Tag 2 mit 3 Stunden
Fahrt, und am 2ten Feiertag wieder 2 mit 4 Stunden Fahrt. Aber
bei dem herrlichen Winterwetter war es die reine Freude. Sylvester und Neujahr ist
es
ebenso; hoffentlich hält sich der Schnee solange. Hier in unserem Blockhaus mitten
im
Walde ist es wie im Knusperhäuschen|
von Hänsel und Gretel. Und auch zu
knuspern gab es die Weihnachtstage noch eine ganze Menge! Die Wissenschaft war
natürlich sichtbar. – Wirst Du im Konsistorium bleiben
als "Emeritus" (ein unerfreuliches Wort!)? Ich hoffe es sehr für Dich! – Die
Entwicklung im Osten ist ja recht erfreulich. Der Geist der russischen Revolutionäre
ist das Originellste, was der Krieg gebracht hat: kindlich, einfach, tief,
menschlich! Die Telegramme Trotzkis unddas der Waffenstillstandsvertrag sind nach meiner Empfindung
mehr von original christlichem Geist erfüllt, als sämtliche Feldpredigten in allen
Ländern westlich der Weichsel! Sollte hier auf dem Boden der alten griechischen
Mystik, durch den mystisch-einfältigen Charakter des russischen Volkes eine neue
Epoche der Kirchengeschichte aus den Windeln unerkennbarer Anfänge kriechen? Der
Westen hat die soziale Idee geschaffen, sollte der Osten sie durchführen? Das sind
so
Weihnachtsideen 1917! – –