Undatiertes Brieffragment von Maria Klein an Paul Tillich vermutlich aus dem Jahr 1913

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Der editierte Text

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habe ist die Gewißheit, daß ich Sie nicht aufzugeben brauche, weil meine Liebe kein Unrecht ist. Und warum wollen Sie sich nicht lieben lassen? - Neulich las ich zufällig in einem Buch etwas was ich mir abschreiben mußte. Nämlich folgendes: „die ruhigen, freundschaftlichen Gefühle, zu denen man sich durchkämpft, was sind sie anderes als Kirchhofsblumen, denn sie wachsen auf dem Grab, worein das lebendige Kind, das man erstickt hat, gelegt ist - des Lebens einziger, wahrer Inhalt, (?) - die Liebe - die Liebe.“ - - - - -
Ich halte es augenblicklich für Ihre Pflicht, herzukommen, denn ich muß mit Ihnen reden. Der Schmerz kann | nicht größer werden, außerdem ist auch die Freude bei mir überwiegend. Denn der Gedanke, daß Sie überhaupt leben, erfreut mich schon. - Ich bin garnicht so unglücklich. Das Wort: „Unglückliche Liebe“ hasse ich. Auf mich soll es jedenfalls keiner anwenden. Liebe an sich ist immer glücklich, nur kann sie einem Unglück bringen. - Gelt, Sie sind mir nicht böse, daß ich so lang schreibe, denn ich will mir wenigstens noch einmal Luft machen. - Auch über das scheußliche Geschmier ärgern sie sich nicht, die Tinte ist schlecht, und die übrigen Entschuldigungen nach dem Reisemonat, treffen zu. - |

Es ist schön, daß Sie sich als Freund unterschreiben. - Clara von Schelling (Details anzeigen) las ich. Eins aber ist ausgeschlossen, daß Sie von Berlin (Details anzeigen) fortgehen! Ich brauche Sie nötiger, als irgend jemand sonst sie brauchen könnte. Freuen Sie sich, daß Sie jemand braucht. Für mich wäre das wirklich Grund genug, in Berlin (Details anzeigen) zu bleiben. Außerdem sollen Sie auch die Verträge halten. -
Wissen Sie, ich wollte so, Sie sollten mit helfen, daß ich all die vielen Zweifel leichter überwinde. Ihre Predigten waren vielleicht für mich nützlicher als Lahusens (Details anzeigen) z.B. Das müßte Ihnen schon Grund genug sein, Pastor zu bleiben. Ich wollte Ihnen | auch immer bei allem helfen, statt dessen muß ich nun immer nur beten, daß Sie mich überhaupt lieben. - Wenn Sie doch wüßten und ahnten, wie ich Sie liebe, wenn Sie überhaupt wüßten, wie man lieben kann, dann würden Sie nicht verlangen, daß ich nur freundschaftlich empfinde. - Mit Ihnen zusammen wollte ich ein Leben kämpfen, u. ich will es auch noch. Jedenfalls muß ich Sie sobald wie möglich sprechen. Äußerlich bin ich ja auch viel ruhiger geworden in den 5 Wochen. Dadurch, daß ich nicht die Möglichkeit habe, Sie bald zu sehen, bin ich rasend aufgeregt.
Verstehen Sie diesen Brief? Versuchen Sie es bitte! Ich finde es richtiger, Sie antworten mir bewußt schon die Liebe zu Greti (Details anzeigen) in Ihnen. - - - - - Warum darf ich nicht einmal noch meinen Kopf in Ihren Schoß legen und zu Ende weinen? Denken Sie doch, Sie hätten ein kl. Kind, das mit einem gr. Leid zu Ihnen, zu seinem Vater, käme, was würden Sie wohl mit ihm machen, um es zu beruhigen? Sie verlangen zu viel von mir! - An dem Tage, wo Sie mir zuerst von Ihrer Verlobung mit Greti (Details anzeigen) erzählten, da sagten Sie: „Jetzt könnte ich Sie Tag u. Nacht herbeirufen, immer wären Sie nun für mich da.“ War das wieder nur so hingeredet? - - - Ich würde das ja auch nie von Ihnen verlangen, ich fordere ja überhaupt nur noch so wenig von Ihnen! Ich kann meinen Kopf nun bloß auf den harten Schreibtisch legen. Ich bin doch jetzt so müde, müde. - - - - Noch einmal bitte ich Sie, Tillich (Details anzeigen), lassen Sie mich mit Greti (Details anzeigen) bekannt werden. - - - - Ich kann nicht auch noch Muttis (Details anzeigen) Vorwürfe mit anhören. - - - Nur einmal bis Weihnachten möchte ich noch eine ruhige Stunde mit Ihnen zusammen verleben ohne die beständige Angst, daß jemand kommt. Schreiben Sie mir doch bis Sonntag Antwort auf meinen letzten Brief. Es wäre so lieb von Ihnen.

Gedanken sind ja doch immer bei Ihnen. - - Ich liebe Sie! Ihre Maria R. (Details anzeigen)


Fußnoten, Anmerkungen

Register

avon Schelling, Clara
bBerlin
cBerlin
dLahusen, Friedrich
eTillich, Margarete
fTillich, Margarete
gTillich, Paul
hTillich, Margarete
iKlein, Elisabeth
jRhine, Maria
kRhine, Maria

Überlieferung

Signatur
USA, Cambridge, MA, Harvard University, Harvard Divinity School Library, Tillich, Paul, 1886-1965. Papers, 1894-1974, bMS 649/178
Typ

Brieffragment, eigenhändig

Postweg
unbekannt - unbekannt
nächster Brief in der Korrespondenz
Brief von Maria Rhine an Paul Tillich vom 13. Mai 1913

Entitäten

Personen

Orte

Zitiervorschlag

Undatiertes Brieffragment von Maria Klein an Paul Tillich vermutlich aus dem Jahr 1913, in: Paul Tillich, Korrespondenz. Digitale Edition, hg. von Christian Danz und Friedrich Wilhelm Graf. https://tillich-briefe.acdh.oeaw.ac.at/L00317.html, Zugriff am ????.

Für Belege in der Wikipedia

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