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den 01.08.1920

Liebe Hannah!

Vor zwei Tagen habe ich Lotte Storch beauftragt, Dir die Speton-Tabletten zu kaufen und zuzusenden. Du mußt sie etwa 10 Min.uten vor der Sache so tief wie möglich einführen, damit sie sich auflösen; Spülungen mit heißem Wasser sind immer sicher, wenn alles andre versagen sollte. – Ich habe auch an Lotte Storch geschrieben, daß sie unsere Briefe übermitteln soll; ich warte sehr auf Deinen ersten aus Deinem Heim, wenn Du aus Deinem Heim mir schreiben kannst; denn ich glaube, das ist schwerer als alles andere; doch Du bist stark und groß und ich vertraue Dir!

Ich bin noch sehr matt, trotzdem es herrlich hier ist; aber nun kommt all das Ungeheure nach, was dieses letzte Jahr mir gebracht hat, und fast zu viel ist für einen Menschen, selbst wenn er sich noch so sehr abstumpft. Hannah, Geliebte, komm zu mir mit Deiner großen Seele, umpfange mich wie mit einer weichen Hülle, daß ich einmal in Seligkeit wieder atmen kann, wie ich es einst konnte in Zeiten jubelnder, herrlicher Lebensbejahung. – Wir müssen | es büßen, daß wir in den Abgrund kriechen, daß wir dem Leben in seinen letzten Schrecknissen nachspüren, daß wir uns verbrennen lassen von der Glut der großen Ekstasen; nun bin ich verbrannt und sammle meine Asche, und hoffe darauf, ein Phönix zu sein. Die heilende Natur umgibt mich mit Liebe, aber die Tausend Wunden bluten noch trotz ihres Balsams, ihres wundersamen Duftes, Abends wenn der große Wagen über schwarzem Waldrand strahlt; aber Nachts kommen die bösen Geister, Traum auf Traum, und Morgens bin ich matt und elend.

Am 15. ab will ich nach Rügenwaldermünde fahren (Adr.esse postlagernd) bis zum 1. Sept.; dann schreibe nach Berlin; ich lasse mir von da die Briefe nachschicken im Sammelkouvert. Ich sehne mich nach Worten von Dir!

P.
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