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den 01.09.1920

Liebe, liebe Hannah!

Ich sitze im Dom zu Passau, die andern im Kaffee, auf der Rückreise über Regensburg. – –

Es ist ein gewaltiger spät-barocker Raum, viel Prunk und Stuck, viel Bilder im Rubensstil, die Decken rot-gelb bemalt, vollkommenes Heidentum. Ich muß einmal den | Unterschied zwischen gotischer und barocker, vorreformatorischer und gegenreformatorischer Mystik feststellen, es ist etwas völlig anderes, so unterschieden wie die einfältige Inbrunst des heiligen Franz von der bewußteren, in Exerzitien erzwungenen, fanatisch-rationalen Ekstatik des | Ignatius von Loyola. Kalt trotz allen Schmuckes steht der Raum der gewaltigen Bischofskirche über mir; es ist ganz still; es ist wie eine Halle, die auf den Einzug hoher Fürstlichkeiten des Absolutismus wartet. Auch hier ist Gott; aber nicht der alte, nahe, der in der Seele lebt, | sondern der unendlich ferne, der keine Gestalt mehr hat, dessen Absolutheit der Verstand durchschaut, um ihm dann eine Ehrenhalle in kalter Pracht zu errichten. – – –

Hannah, liebe, große Seele! Warum bist Du nicht neben mir in dieser Stunde, mehr zu sagen und zu sehen und zu fühlen, als ich es kann?

P.
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