Brief von Paul Tillich an Hannah Tillich wahrscheinlich vor Oktober 1922

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Der editierte Text

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Freitag

Süße geliebte Hannah (Details anzeigen)!

Noch sitzt mir die schreckliche Angst in den Gliedern, die ich heut früh im Bett empfand, als am dritten Morgen nichts von Dir da war; sie sitzt noch wie eine Substanz in mir, obgleich Dein beglückender Brief,1 daß Du aufstehen kannst, mit der zweiten Post kam. Ich bin gegen alle Dinge, die von Dir kommen, jetzt körperlich ganz widerstandsunfähig. Mein ganzes Körpersystem ist zu durchtränkt durch die Sorge um Dich; eine leise Berührung und es geht aus den Fugen. Ich habe aus tiefster Seele gedankt für den heutigen Brief; denn ohne ihn nach Dölzig (Details anzeigen) zu fahren, wäre drei Tage Hölle gewesen. Ich bin dort nur von Sonnabend früh bis Montag Abend und hoffe, am Montag wieder Nachricht von Dir zu haben.

Du schreibst von einem gedrückten Brief über die äußeren Verhältnisse, und davon, daß alles in der Luft schwebt. Mein Hannahchen (Details anzeigen), nun laß Dir für alle diese Dinge folgendes gesagt sein: Ich schwe| be nicht in der Luft, sondern in dem Augenblick, wo Du weder seelisch noch körperlich krank und dadurch unzugänglich für mich bist, bin ich da! Und das heißt, daß ein entschlossener Wille da ist, der sich gegen Dich und Deine Eltern (Details anzeigen) (Details anzeigen) und meine Leute und die ganze Welt durchsetzt. Äußere Dinge können mich nicht drücken, sondern mir nur Energie des Handelns geben. Du weißt: Solange nur die geringste seelische Unentschlossenheit in Dir ist, halte ich mich zurück, antworte Dir höchstens mit Rat und eigenem Gefühl und stelle bewußt jeden Willen ab. Sobald Du seelisch klar bist, lege ich meine Hand auf Dich und meinen Willen in Dich. Ich habe Dir meine Vorschläge geschrieben; ich verlange, daß Du entweder einen besseren gibst oder ihn befolgst. Jedenfalls will ich nicht, daß Du vor Oktober eine Stelle antrittst. Stellen gibt es, wie Sand am Meer und wenn Du erst hier bist, vielleicht auch eine als Lehrerin. Die Ordnung der äußeren Dinge soll uns nicht Sorge, sondern Freude sein.

Leb wohl unter Rechenschaft und Strömen der Liebe!

Dein Paul (Details anzeigen).


Fußnoten, Anmerkungen

1Liegt nicht vor.

Register

aTillich, Hannah
bDölzig
cTillich, Hannah
dWerner, Louise
eWerner, Jean Otto Nikolaus
fTillich, Paul

Überlieferung

Signatur
USA, Cambridge, MA, Harvard, Harvard Divinity School Library, Tillich, Hannah. Papers, 1896-1976, bMS 721/2(18)
Typ

Brief, eigenhändig

Postweg
unbekannt - unbekannt
voriger Brief in der Korrespondenz
Brief von Paul Tillich an Hannah Gottschow vom Juni oder Juli 1922
nächster Brief in der Korrespondenz
Brief von Paul Tillich an Hannah Tillich ohne Datum, vermutlich 1923

Entitäten

Personen

Orte

Zitiervorschlag

Brief von Paul Tillich an Hannah Tillich wahrscheinlich vor Oktober 1922, in: Paul Tillich, Korrespondenz. Digitale Edition, hg. von Christian Danz und Friedrich Wilhelm Graf. https://tillich-briefe.acdh.oeaw.ac.at/L01322.html, Zugriff am ????.

Für Belege in der Wikipedia

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