Brief von Eduard Baerwald an Paul Tillich vom 14. April 1933

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14. April 1933

Lieber Herr Tillich,

unter der Fülle der Ereignisse, die über uns hereinbrechen, verschwindet beinahe das Schicksal des Einzelnen. Mit einem Worte muss ich Ihnen aber doch sagen, wie unendlich es mich bewegt, dass ein Mann von solch geistigem Format und von solch tiefer Religiosität wie ich Sie an Ihnen stets bewundert habe, nicht mehr zur Jugend sprechen soll. Ich bin ein alter, unverbesserlicher Esel und infolgedessen gebe ich den Glauben nicht auf, dass in Deutschland das freie Wort wieder eine Stätte finden + dass man sich darauf besinnen wird, dass alles, was die Antike, die jüdisch-christliche Welt, die Renaissance + unsere Klassische Epoche geschaffen haben, Bestand hat – über das| hinaus, was der Tag predigt. –

Entschuldigen Sie den Bleistift, aber mir haben die Geschehnisse der letzten Wochen eine leichte Herzneurose eingetragen, die mich an's Bett fesselt.

Mit freundlichen Grüssen Ihr ergebener
    Entität nicht im Datensatz vorhanden

    Personen:

    • Baerwald, Eduard (Dr. jur, seit 1896 aktiv in der jüd. Gde Frankfurt; um 1910 stellv. Vors.; Mitglied des Rates der JCA; 1925-30 im PLJG; Vors. der lib. Fraktion; 1932-33 im Vorst. der jüd. Gde.)
    • Tillich, Paul (Theologe; Religionsphilosoph; Pfarrer;)