Der editierte Text

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Magdeburg (Details anzeigen), Neustädterstr. 46. 8. Febr. 24.

Ein Lichtschein umgibt die Welt des Geistes.
Man vergißt einander, still u. rein, ganz mächtig u. leer.
Die Leere wird durchleuchtet vom Schein des Herzens der Himmel.
Das Meerwasser ist glatt u. spiegelt auf seiner Fläche den Mond.
Die Wolken schwinden im blauen Raum.
Die Berge leuchten klar,
Bewußtsein löst sich in Schauen auf.
Die Mondscheibe ruht einsam.1

Aus dem Chinesischen.

Lieber Herr Professor (Details anzeigen),

Dieses Gedicht fand ich neulich, u. ich wußte gleich, daß ich es Ihnen schreiben möchte. Ich will es versuchen. Ob Sie diesen Brief bekommen, weiß ich ja nicht. Ich habe mir die Adresse, die Sie mit Ihren Karten angeben. In Ihrem| Brief schrieben Sie, Sie würden mir noch eine neue Adresse angeben. Aber die bekam ich noch nicht.

Ihr Brief war so gut. Ich habe ihn oft gelesen – u. ich versuche, Ihr Leben dort zu denken. Aber es gelingt wohl kaum. Und dann kehren die Gedanken in das Vergangene zurück. Das ist noch lebendig u. wach. –

Wie mag nun alles mit Ihnen werden? Die Entscheidung hier ist doch gefallen. Ob Sie dort bleiben können? Ob Ihnen die Arbeit dort möglich sein wird? Man möchte so vieles wissen.

Elisabeth (Details anzeigen) läßt Sie grüßen. Sie ist auch bei ihren Eltern in Wernigerode (Details anzeigen). Manchmal kommt sie einen Tag zu mir. Das sind die Tage, an denen man lebt, es ist Ruhe da u.| Verstehen. Wir sitzen zusammen wie alte Leute – u. reden vom Vergangenen. Die Zukunft ist ja eine Wand. Man mag nicht hinsehen.

Bis Ostern bin ich sicher noch hier. Meinen Eltern geht es nicht gut. Vater ist sehr alt geworden, u. meine Mutter kann sich gar nicht recht erholen. Aber nach Ostern müßte ich wieder eine Arbeit haben. Das einzig mögliche scheint mir eine Sekretärinnenstelle. Ich weiß noch nicht, wie das werden wird.

Draußen tobt ein richtiger Sturm. Der Wind heult um das Haus, der Regen prasselt u. die alten Bauern ächzen| unter dem Zerren. Man muß eben aushalten in aller Angst u. Einsamkeit – u. warten.

Ich sende Ihnen viele viele Grüße.

Ihre Anja Schümer (Details anzeigen).


Fußnoten, Anmerkungen

1Die Anja Schümer vorliegende Übersetzung konnte nicht ermittelt werden. Der Text trägt den Titel Die leere Unendlichkeit und wurde in Richard Wilhelm, Das Geheimnis der goldenen Blüte, 124 (Details anzeigen) abgedruckt.

Register

aMagdeburg
bWilhelm, Das Geheimnis der goldenen Blüte. Ein chinesisches Lebensbuch. Mit einem eu..., 1971
cTillich, Paul
d???, Elisabeth
eWernigerode
fSchümer, Anja

Überlieferung

Signatur
USA, Cambridge, MA, Harvard University, Harvard Divinity School Library, Tillich, Paul, 1886-1965. Papers, 1894-1974., bMS 649/183(14)
Typ

Brief, eigenhändig

Postweg
Magdeburg - unbekannt
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Brief von Anja Schümer an Paul Tillich vom 18. April 1933

Entitäten

Personen

Orte

Literatur

Zitiervorschlag

Brief von Anja Schümer an Paul Tillich vom 8. Februar 1924, in: Paul Tillich, Korrespondenz. Digitale Edition, hg. von Christian Danz und Friedrich Wilhelm Graf. https://tillich-briefe.acdh.oeaw.ac.at/L00813.html, Zugriff am ????.

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L00813.pdf