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Berlin-Friedenau> , den 19.02.1923

Sehr geehrter Herr Ruprecht!

Leider ist es mir trotz aller Anstrengungen nun doch nicht gelungen, dem Setzer ganz zu folgen. Es lag das zum Teil an einer Erkrankung meiner Schreibmaschinenhilfe, vor allem aber an den außerordentlichen Schwierigkeiten, die gerade die Grundlegung der Geisteswissenschaften bieten. So kam es, daß ich an dem Entschluß zum Diktieren immer wieder durch Bedenken gehindert wurde, die sich auf Einzelnes und ganze Kapitel bezogen. Ich bin aber jetzt aus dem Gröbsten heraus und hoffe, daß ich das System der Geisteswissenschaften ziemlich ungehemmt diktieren kann. Es ist merkwürdig, wie der Entschluß, etwas zu veröffentlichen, immer neue kritische Reaktionen in einem erzeugt, zumal bei einem so universalen Stoff.

Die Titelfrage ist nun doch akut geworden. Ich habe den Vorschlag, als Übertitel „Schöpferische Wissenschaft“ zu wählen, meinen hiesigen Bekannten gesagt, und im Allgemeinen Zustimmung gefunden. Vom Standpunkt der Verbreitung des Buches erschien ein ähnlicher Obertitel notwendig, und wenn, dann ist dieser am besten, da der Begriff des Schöpferischen im Mittelpunkt der Geisteswissenschaften und in gewisser Weise des ganzen Buches steht. Ich möchte Sie nun um Ihr Urteil bitten. Es bestehen also die beiden Möglichkeiten: „Schöpferische Wissenschaft, Entwurf eines Systems der Wissenschaften nach Gegenständen und Methoden“ oder bloß: „Entwurf u.s.w.und so weiter“ Die übrigen Vorschläge muß ich nach reiflicher Überlegung zurücknehmen, also auch System des Erkennens, wie es im Umbruch steht. – Vielleicht besprechen Sie die Sache einmal mit Prof. Hirsch, der ein gutes Urteil über derartige Sachen hat.

Ihr sehr ergebner

P. Tillich.

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