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D. 19. Dez. 1916.

Liebe Tante Grete!

Nun bist Du die Letzte von den drei, die uns zu Weihnachten gehörten, wie Tannenbaum und Weihnachtslieder, deren Kommen wir erwarteten mit Ungeduld, schon wenn sie in Schönfließ ankamen mit Post oder Omnibus reich beladen mit Herrlichkeiten aus Berlin, mehr noch, wenn sie um 6 Uhr klingelten und ich an die Tür stürzte um zu öffnen und das Schachbrett, das uns die Wartezeit kürzte, stehen ließ. Nun bist Du die einzige, und ich bin fern.| Wenn doch der alte Zauber noch einmal wiederkehrte mit allen Einzelheiten, bis zu dem zweiten Abend bei Euch, wo noch besondere Arten von Marzipan und Gänsebrust und eine Doppeltanne mitten auf dem Eßtisch und ein gutes Glas Rotwein die Schlußfeier machten. Ach alter Gretsch, was haben wir für Erinnerungen, wie kann man da viel klagen, daß man keine oder wenig Hoffnungen| hat! Da muß man wohl zufrieden sein und immer denken, es war schön, so schön, daß man es kaum fassen konnte, 28 Jahre lang! Wer hat das? -- Warst Du mal bei Greti? Sie schrieb mal, Du wolltest zu ihr kommen. Sie wird ja nie in unsern alten Kreis hineinkommen. Aber die alte Weisheit sagt es, daß der Mann "Vater und Mutter verlassen wird, und seinem Weibe anhangen".

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Wenn wir nun hier die Weihnachtsbäume anzünden, und ihr Licht mehr noch als sonst etwas überirdisches in sich hat, dann werde ich auch der beiden Gestalten gedenken, die nun hoch über uns stehen und das in Wahrheit haben, was uns nur im Bild und Gleichnis gegeben ist, der beiden, die ein Stück meines Lebens geworden sind, mehr als es sonst zwischen Großeltern und Enkeln ist.

Dies soll mein Weihnachtsgruß sein!

Dein Paul.
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