Der editierte Text

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a, den 21. April. 1907.
Liebes b!

{Chs} u. ich haben mehr als einmal an Euch und bes. an Dich gedacht am Freitag. Wie jetzt alte u. neue l.l. B.B. in der Göben etc Straße herumstehen sich vorstellen, Buden suchen; wie die alten die neuen über die Person der neuen Chargierten bes. des x1 informieren, – soweit das noch nötig ist – etc pp.

Und bei alledem wären wir nun gern dabei gewesen. Die nackte Wirklichkeit ist aber anders: Gestern hat mich {Chs} verlassen. c, der mich fast täglich besuchte, ist mit ihm nach d gereist. Und so liege ich allein im Bett; die andern sind eben zur Kirche gegangen.

Nun kommen aber heute Morgen 2 Karten von der| Hallenser Antrittskneipe. Da habe ich mich beinahe unmäßig gefreut, wie ich alle die lieben Namen wieder las u. auf der andern Seite Haus u. Kneipsaal! O tempora o mores.

So lange ich noch auf war in diesen Ferien habe ich Römerbrief etwas gelesen. Und als ich zu Kap. 3 V 8 kam, da dachte ich, das müßte ich Dich Dir schreiben, daß ich da in meines Herzens Bösartigkeit an Dich gedacht habe; ich habe auch gleich folgende Moralpredigt daraus gemacht: βλασφημούμεθα durch den Bund ὅτι Ποιήσωμεν τὰ κακὰ ἵνα ἔλθῃ τὰ ἀγαθά; was doch der Hallenser Wingolf nicht will sond. nur das e, von welchem der Apostel schreibt ὧν τὸ κρίμα ἔνδικόν ἐστιν. Da sieht man's: man braucht den Satz dieser jesuitischen Moral gar nicht schlau widerlegen; man braucht| bloß sehen, daß zur Zeit über den Hallenser W. ein κρίμα ergeht, u. dann zu vernehmen, daß dies κρίμα ἔνδικόν ist, weil man doppelte Moral pflegte. Ich hoffe daß Du die Bundespolitik also deixelst, daß nicht die Philister auf der f unisono rufen: ὧν τὸ κρίμα ἔνδικόν ἐστιν. –

Das wollte ich Dir schreiben; damit darum habe ich aus der großen Namenliste auf der Postkarte gerade den Deinen ausgewählt. – Es ist nicht ausgeschlossen, daß ich Euch um vollständige Inaktivierung bitte. Ich werde genötigt sein, jeden Abend um 18 Uhr in die Falle zu kriechen u. auch sonst sehr vorsichtig zu leben. Es ist doch ein wahres Glück, daß ich die Krankheit nicht schon vor einem Semester kriegte. Man hat wirklich zu danken.|

Mein {Chs} hat mir viel vorgelesen; wir haben ihn sehr gerne hier gehabt. Die geplanten vielen Ausflüge konnte ich natürlich nicht mit ihm machen. Dafür ist er oft in's Schwimmbad gegangen, hat schwimmen gelernt u. g hat ihm das Wichtigste von h gezeigt. Wann ich nach i darf weiß ich noch nicht. Ich darf jetzt täglich ein bisschen aufstehen, fühle mich dabei aber ziemlich schwach.

Mein Bild für die Kneipe schicke ich mit. Gib es bitte dem Bilderdax, damit ich nicht verdonnert werde.

Nun grüße mir die ganze Gesellschaft. |:Die Examenskandidaten viel.:| Ich kann ja nicht alle Namen nennen. Deine Conchargierten, j k l m {n} o p q r einfach die alten Burschen alle.

Herzl. grüßt Dich mit einer stillen Wehmuts-Neides-Mitleids etc Thräne
Dein s. [Darstellung: Zirkel des Hallenser Wingolf].]

Kommt ein t nach u??


Fußnoten, Anmerkungen

1Als X bezeichnet man einen Erstchargierten oder Fux. Der X fungiert als Sprecher der Verbindung.

Register

aStuttgart
bTillich, Paul
cFritz, Alfred
dTübingen
eTillich, Paul
fWartburg
gFritz, Alfred
hStuttgart
iTübingen
jSchuster, Daniel
kBanzhaf, Friedrich
lBertheau, Lorenz
mVoget, Hans
nCramer, ???
o???, Jonas
p???, Claus
qSchreiber, Hans
rRöhricht, Eberhard
sSchubert, Daniel
tMeinhof, Heinrich
uTübingen

Überlieferung

Signatur
USA, Cambridge, MA, Harvard University, Harvard Divinity School Library, Tillich, Paul, 1886-1965. Papers, 1894-1974., bMS 649/183
Typ

Brief, eigenhändig

Postweg
Stuttgart - unbekannt

Entitäten

Personen

Orte

Bibelstellen

Zitiervorschlag

Brief von Daniel Schubert an Paul Tillich vom 21. April 1907, in: Paul Tillich, Korrespondenz. Digitale Edition, hg. von Christian Danz und Friedrich Wilhelm Graf. https://tillich-briefe.acdh.oeaw.ac.at/L00162.html, Zugriff am ????.

Für Belege in der Wikipedia

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