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Hersfeld, den 19. VIII.

Mein lieber Junge,

Soviel ich weiß, fängst Du morgen an 20 Jahre zu den Erdenbürgern gezählt zu werden, denn zählen kannst höchstens erst 14t. Nicht versäumen aber will ich zu dem "jedenfallsigen" Festtag Dir meines Herzen Wünsche nicht zu entziehen. – Ein Zeichen – nicht quantitativ, etwa durch Nachschlagen in Katalogen abzumessen – meiner Liebe sagt, bringen wir in einer Woche! Natürlich nicht zu verwechseln mit meiner Hauptarbeit. Die Idee einer Predigt ist Fieberträumen Deines lockigen Hauptes (die ¿¿¿ ... ¿¿¿)| entsprossen. Entschuldige meine Plattheit, aber ich habe ziemlich derbes Schädelbrummen und fände es daher eigentlich schon alles mögliche, daß ich Dir schreibe. – Wie soll ich Dir mich nun vorstellen? Zu welcher Tageszeit geboren? – Nehmen wir an in der Nacht. Also heut' Nacht. Wie soll man nun den transitorischen Momment vomersten zweiten ins 3te Jahrzehnt darstellen? Ein leiser Ruck ein Dehnen im ganzen Körper, ein Röcheln auf den Lippen oder wie?.. Vielleicht sagt gerade kopfschüttelnd die Jacke zur Hose oder besser das eine Hosenbein z. andern –: ob er uns jetzt ein wenig| besser behandelt? Er ist doch nun oder fängt an männlich zu sein.– Ja, meint seufzend das andere Bein – er müßte auch seine Kniee mehr durchdrücken beim Gehen– vielleicht, wenn er mal Dienen muß?!

Und die beiden Schuhe, hören aufmerksam zu und erkundigen sich, was denn los sei – – Mit souveränem Lächeln, ob ihrer jugendliche Unruhe giebt die Zahnbürste knirschend Auskunft, es sei 20ter Geburtstag, was sie freilich nicht aus Erinnerung weiß, denn sie ist nicht so alt, – vielmehr hat sie sichs an den Weisheitszähnen ausgerechnet, mit denen sie ab u. zu in Berührung kommt. Die beiden Schuhe schielen sich mit ihrem krummen Auge, das gerade da sitzt, wo auch darunter andere Augen sind, an und lassen ihre beiden Henkelohren –| – bei einem jeden ist eines durchgerissen eine schmerzliche Operation, die sie sich aber entsprechend denen ihres Herrn gerne gefallen ließen – also ihre Henkelohren hängen und verabreden,Eein Geburtstag sei ein Moment der Selbstbesinnung. Das tun sie und vermöge ihrerSelb eigentümlichen Kongruenz im ganzen Wesen kommen sie beide zu gleichem Schluß. Weißt du, sagt das eine, praktisch sind wir ja und wenn man spät aufsteht; sehr nützlich anzuziehn, aber für einen zwanzigjährigen, der noch dazu ein großes Kapitel im kommenden Semester verwaltet taugen wir doch nicht. Und sie beschließen heldenmütig sich für ihren Herren zu opfern, schleichen ¿¿¿ ge| wohnten Schritt zur Tür, um sich leise fortzustehlen.... Doch ihre Klincke ist leider zu hoch, um im Sprunge erreicht zu werden..... – Ja – dies alles nebenbei kann man sich vorstellen und dem der im Bette schläft und sich im Traum vielleicht gerade mit einem Qames herumschlägt, das ihn mit seinen Armen erdrücken will – weshalb er eigentlich mit diesem unschuldigen Buchstaben so auf Kriegsfuß steht ist schlechterdings unklar – also dem der im Bett schläft, dem gilt mein Hauptinteresse. Mich über ihn beugen und ihm ein wenig beim Schlafen zusehen – alles überdenken, was| man gemeinsam erlebt – gedacht, gewünscht, gelitten, gehofft, geglaubt hat... Zunächst also verzeih die verblümte Unverblümtheit – meiner Wünsche εις τα φυσικα. – Aber gelt, Du bist geduldig,– ohne doch die Geduld der andern Menschen auch Deinerseits zum Grunde zu erproben...

Jetzt aber damit Schluß!-

Meine Gedanken sind in der letzten Zeit öfter bei Dir gewesen – mehr als gewöhnlich – das kam schon durch die Erwartung, ob ich Dich sehen könnte. Ich hatte eine Art Sehnsucht danach. – Nb. ist meine Kousine keine Sekunde krank gewesen! Sie starb nach| der Geburt ihres 2ten Kindchen, nachdem sie schon wieder fröhlich aufgewesen ganz plötzlich am Herzschlag – 27 Jahre erst alt. Es ist für meinen lb. Vater furchtbar.– Gerade die Stunden an ihrem Sarg haben mich innerlich etwas getroffen. Und deshalb ist mein Wunsch für Dich 2 Kor 416.

Das ist nicht nur ein Scherz –

Es ist freilich mit dem äußeren Menschen auch ein Gutes, wenn er ordentlich ist – eben das andere. Und, Paul, – ich habe gerade in den letzten Tagen an mir gesehen, wie leicht die Gedanken bloß und haltlos durch den Kopf schwirren und das tatsächliche Leben sich ganz anders vollzieht. Und das ist mir im Gedanken an| an Dich auf die Seele gefallen, wie oft wir Gedankenspaziergänge gemacht haben – Ich weiß ja nicht ob's Dich trifft, wie mich; aber, gelt das wollen wir uns im nächsten Lebensjahr vornehmen – soweit wir zusammen sind – etwas noch mehr sorgen, daß wir wachsen –

wir wissen nicht, wie lang' wir's hier unten treiben. – –

Von ""Bruder" Fritz" aus Bethel hatte ich einen von Gesundheit strotzenden Brief – der ist wirklich eine reine Freude! – Schönen dank noch für Deine Karten – Herzlichen Gruß an alle lb. Deinen sonderlich Deinen Vater

In herzlicher Freundschaft grüßt Dich heut besonders!
Gott befohlen Dein Hermann
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