Postkarte von Unbekannt und Tante Emma an Paul Tillich vom 30. August 1905

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Freiburg i. Br., 30. August 1905

Lieber Paul!

Deine Nachricht vom 23. hat uns erfreut.1] Du sprichst von Deiner Wunde, die leider noch nicht gut ist.2] Du wirst wohl genaue Kenntnis u. die besten Weisungen für die Sache haben, die Du vor allem sorgsam beachten mußt. Daß Land u. Leute in Süddeutschland Dich freuen, ist uns lieb. Berlin mit seinen Bauten u. seinem Leben findest Du freilich nicht; Du lernst eben die sehr verschiedenen Elemente kennen, aus denen sich unser Deutschland aufbaut in Natur u Kunst u Staat u Kirche, u das ist für Deine Zukunft viel wert. Mehr schreibst Du von Verbindungsleben, von Wingolf Cirkel u was die beiden andern heißen als von Deinem Collegium; ich gestehe, daß das mich eigentlich freute. Genieße Deine schöne Zeit, Deine fröhlichen Kreise, was Natur u. Menschen Dir bieten; Μηδὲν ἄγαν.

L. Paul!

Das war eine schwere Zeit für mich u. bin ich auch jetzt noch sehr angegriffen. Ich mache mir so schwere Gedanken u denke viel u oft an Deine arme Mutter, in der Klinik war ich 14 Tage u hatte die beste Behandlung u nun soll es mit den Nerven noch besser werden. Ich gehe nicht nach Nauheim u was ich hier will ist noch unbestimmt. Vater schreibt es ginge gut u. Johanna gekräftigt zurückgekommen, schon Dich nur u trinke wenig Geistiges. Laß bald mal wieder von dir hören. Wann hat Vater Geburtstag?

Deine Tante Emma
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    Literatur:

    • Tillich, Paul, Impressionen und Reflexionen (GW XIII) 
    • Tillich, Paul, Ein Lebensbild in Dokumenten : Briefe, Tagebuch-Auszüge, Berichte (EW V), hg. von Renate Albrecht, Margot Hahl, Stuttgart 1980.