Brief von Gertrud von Sydow an Paul Tillich vom 15. Juli 1919

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Der editierte Text

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Querstr 31., d. 15.VII.19
Lieber a,

{bitte} steh starr vor Staunen! Jetzt wirst Du also also wieder b sein, ab wann? ha - darf ich zweifeln oder sollte mit dem Wege die Bravheit u. Würde kommen. Der Zweck meines Briefes ist eine bißchen intime Frage, sie betrifft die physische Beschaffenheit der edlen Männlichkeit u. noch dazu speziell bei Dir - unerhört? Der Mann hat ja, grad wie die Frau - periodische Schwächezustände - mal körperlich, mal geistiger Art. Merkst Du es überhaupt? Sicher denn du bist ja auch nicht - ein Monstrum von Körperkraft. Aber wie? Tritt es bei Dir regelmäßig auf od. deine Geistesfähigkeit schwächend od. irgendwie lähmend wirkend auf Dein Gefühlsleben? Ich glaube, je femininer der Mann, desto stärker diese Periode. Bei c beobachte ich| das ja, seit unsrer Verlobung in regelmäßigen Abständen. Und jedes Mal ist es dann ein vollständiges „die Welt fliehen wollen“. Aufgegeben habe ich's ja nicht, da entgegen zu wirken, viell. ist die Möglichkeit eher, wenn die Umgebung mal eine andere geworden ist. Ich vermute, daß in deinem Empfindungsleben nicht diese haarfeinen Zartheiten sind, ich glaube, ich glaube, die wären auch von {d} vielleicht schon hart angegriffen worden. Daß e mich nicht auf Rosen bettet, glaubst du das? Zeitweise ohne Dornen zeitweise mit sehr heftigen. Mein Lebenssinn ist ein anderer geworden, früher strebte ich nach {fernen} Zielen u. Idealen, jetzt ist mir jeder Tag Zweck u. Ziel oder zweck u. ziellos. Unser gemeinsames Leben hat vorher bestanden u. besteht jetzt in vollständigen Extremen. Etwas aufreibend. Ein Gleichmaß nicht möglich. - Veränderung| haben wir bei {uns} beiden durch den andern konstatiert. Bei f {stammt} dies seit unsrer Verlobung. Nicht daß ich es durchaus bin, aber die feste Linie, die ich ihm personifiziere, um die er sich aufbaut, ich glaub, das ist's, was wohltuend u reinigend auf ihn wirkt. Nicht ich, aber die Linie an sich, die er sonst nicht besaß in keiner Weise. Aber wenn Du es ihm sagen würdest, würde er's entschieden bestreiten. Am wenigstens durch mich möchte er Beeinflussung erfahren. Seltsam ist's überhaupt wie gut man Diplomatie bei Euch lernen kann. g ist nur so zu nehmen, vor beinahe 2 Jahren fing ich an ihm vorzumachen u. jetzt in der Ehe lernte ich schon so gut die Lüge. Was an mir wahr ist, weiß kaum ein Mensch - bisher haben mich noch die meisten verkehrt eingeschätzt. Maske I-II III. Welche willst Du - - genug -| Was machen h. Wie wars auf i!! j schrieb, sie hätte dich mit guten Ermahnungen ziehen lassen, sie blieben nicht angehört. k u. ich konnten doch uns des Lächelns nicht erwehren. Was sagst Du zur Dekadenz? Schreib Du mir mal {ehrlich} oder durch l [sic!] - bitte - bitte Antwort trotz viel Geplagtheit!

Herzlich
m.

Fußnoten, Anmerkungen

Register

aTillich, Paul
bTillich, Paul
cSydow, Eckart von
dTillich, Margarete
eSydow, Eckart von
fSydow, Eckart von
gSydow, Eckart von
h???, Charlotte
iRügen
j???, Tilly
kSydow, Eckart von
lTillich, Margarete
mSydow, Gertrud von

Überlieferung

Signatur
USA, Cambridge, MA, Harvard University, Harvard Divinity School Library, Tillich, Paul, 1886-1965. Papers, 1894-1974, bMS 649/191(7)
Typ

Brief, eigenhändig

Postweg
unbekannt - unbekannt

Entitäten

Personen

Orte

Zitiervorschlag

Brief von Gertrud von Sydow an Paul Tillich vom 15. Juli 1919, in: Paul Tillich, Korrespondenz. Digitale Edition, hg. von Christian Danz und Friedrich Wilhelm Graf. https://tillich-briefe.acdh.oeaw.ac.at/L00627.html, Zugriff am ????.

Für Belege in der Wikipedia

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