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Hersfeld 23.8.07

Lieber Paul

Du bittest mich so rührend unterstrichen noch um einen Brief, daß ich Dir – da meine Gehirnmoleküle unter den Nachwirkungen einer akuten Alkoholvergiftung – (3 Gl. Bier hier soir mit 1 Oberleutnant und 3 Kriegsschülern Zusammen getrunken) – doch zu keiner edleren Beschäftigung mehr im Stande sind – den zweifelhaften Genuß einiger chaotischer Brocken, die sich noch nicht in meiner Gehirnerweichung aufgelöst haben, nicht vorenthalten will. Fast so stumpfsinnig wie die| Kriegsschüler – der Oberleutnant ist nett. (Wittes Bruder).. kann ich doch nicht umhin die Kneiferei in Punkto Deiner Rechtfertigungslehre zu rügen. O, Du weiser Jüngling mit Deinem irrationalen Gnadenstand und Deinem rationalen oder vielm. intellektualistischen Glaubensbegriff! Was ist denn unsere Theologie anders, als Verkleisterung irrationaler Löcher? Oder ist für Dich die Welt ins Reich der Vernunft u. das Reich der Gnade gespalten? Daß es keine ganz rationale Vernunft noch eine ganz irrationale Gnade giebt scheint mir deutlich. Du bleibst vor Deinen Löchern stehen und benützest den Kleister Deiner Vernunft um Lehmhäuschen| niedlicherSituation Spekulation – daneben zu bauen. Mann, Junge.. jeder Taifun eines wirklichen Erlebnisses wird sie Dir wegblasen.. und dann hast du nichts wie Irrationales, "was Glauben fordert" – höchstens durch die Beweisbarkeit freier Irrationalität ein bisschen rational! – Oder Du schimpfst auf Schmuhl und fängst ganz feindlich das gleiche Geschäft auf einer anderen Ecke an. Denn triffst Du ihn vielleicht in der Mitte des Loches mit dem diesbezüglichen Gesicht an.... Daneben!! verteidigst Du dann die Lehre von der doppelten Wahrheit, womit du den Leuten vorschwätzen willst: Das Loch, was sie da sehen, das habe ja eigentlich einen ganz rationalen Sinn – den du dann mit 2-17 fachen Schriftsinn schließlich herausknobelst. Also das ist m. E. eine großartige| Problemverschlingung.. Wie sehr einem die doppelte Wahrheit im Blut liegt – cela je sais! Aber bei mir nur von Seiten der Psychologie herkommend.. d.h. also: in mir vorhandene blasse Bilder werden mit einem klaren und vollendeten Inhalt durch die einfache evangelische Erzählung gefüllt. Dabei bleibe ich stehen, nicht aber entgeschichtliche ich das Evangelium wiederum zu geschichtslosen Wahrheiten. Das ist geradeso seine Bedeutung, daß es Erfüllung u. Vollendung des GeschichtslosenZwecklose oder Formeln ist ... Freilich gilt es doch facta zu verstehen und von ihnen aus können lichtbringend und kräftigend nach allen Teilen unseres μακρο u μικροκοσμος zu ziehen. Aber die facta bleiben facta. Und es ist keine Ungerechtigkeit gegenüber andern geschichtlichen Tatsachen| daß diese besondere Kreise Ereignisse so hervorgehoben wird. Jeder der mit unverdorbenem Material und ordentlich entwickeltem Verstande Geschichte studiert wird in ihnen eben das finden, worauf er ganz zugeschnitten ist.– Ich glaube deshalb – predigt man das Evangelium. – Ich bin gerade mit dem arianischen Streit zu Ende. Ein Gemisch von Fragen kommt einem. Unverständliche Spekulationswut, und dabei ein gutes Gewissen im Verbrennen der Ketzer... Jedenfalls ein Christentum, das uns fremd ist, in seinen ganzen Formen.. Du scheinst Recht zu haben wieder ein wenig Dogmengeschichte zu erneuern – auf der einen Seite ein wenig Tertullian credo quia absurdum auf der anderen Seite ein bisschen verböserter Origenes: d. h. eine christl. Philosophie mit Etagen für Leute mit einfachem und andere mit doppeltem Sinn der Geschichte.| Eine Frage: Weißt Du, daß Paul Tillich als "ich" zusammenhängt mit einem Häufchen Knochen, Gliedern, Fleisch, Blut? Dann bitte übersieh das nicht und schreib' mir mal wie's mit Deiner doppelten Wahrheit aussieht! – Eine Geschichtsdefinition kann ich Dir nicht aus dem Ärmel schütteln. Wissenschaft von der Entwicklung der zu Stationen verbundenen Individuen, ihrer Beziehungen untereinander nach Ursache und Folge..– Statistik ist das alles ohne Frage und weiter gar nichts.

Das hätte dir ein Gewerkschaftssekretär am vorigen Sonntag sicher geantwortet: – Der sagte den Sozialdemokraten, die ihm mächtig opponierten und mit Zahlen wissenschaftlich die Verderbnis der christlichen Gewerkschaften nachwiesen – "Ihr wißt ganz| genau – abgesehen von Unwahrheiten Eurerseits werden uns sachliche Auseinandersetzungen nie einigen. Denn Ihr seid keine Christen. – daß Gedanke und Tat zusammengehören ist uns beiden klar – wir wollen aber weder beide trennen und 2 Wahrheiten haben, noch den Gedanken in das Ungeschichtliche verbannen (Lehmhäuschen, die in der kommenden Revolution zerstieben) noch die facta zur Irrationalität verdammen, sondern beides beinander lassen und das βαθος του πλουτου nachdenken. –

Der Gewerkschaftsmann sagte: "Die Wissenschaften haben ja auch eine gewisse Berechtigung, aber unsere Arbeit ist doch heute Lebensbedingung der Menschheit.!! Deshalb tue auch noch mehr alle Wissenschaft, die keine Arbeit sondern nichts zu Taten gehöriges ist, bei Seite und uns in nebelhafte Fernen führt| geschichtslos unserm Körper und die Sozialdemokratie, Gemeinschaft, Landeskirche vergessen läßt – ad acta!legen

In diesem Sinn WS 06 pp. ..

Heute morgen habe ich mich über Jonathan u. David mit meinen Kindern unterhalten. Das war ein herrlicher Text und es hat mir viel Freude gemacht. "Ein treuer Freund ist ein starker Schutz, wer Gott lieb hat, der kriegt solchen Freund" (Sirach) haben sie lernen müssen. Sie verstehen das schon recht gut.. –

Nun leb' wohl, über 3 Tage hat unser X Geburtstag.– Am 26. vergiß nicht. Und wenn ich Gnade gefunden habe – dann schreib' mir auch mal einen "reizenden" Brief... kann's brauchen!..

Leb' wohl, grüß Deine Lben bes. D. Vater!
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