Brief von Johanna Tillich und Johannes Tillich an Paul Tillich vom 18. Februar 1907

|
Berlin d. 18.2.07

Mein lieber Paul,

nun bin ich heute zum ersten Mal ordentlich auf, und es geht mir auch so viel besser, daß ich Dir gleich ausführlicher schreiben will. Das waren böse Tage, die ich seit meinem Geburtstag im Bett verlebt habe. Dieser schreckliche Vorderzahn hat mich wirklich namenlos gequält, besonders in den Nächten. Ich glaube, ich lasse ihn nicht mehr lange drin.

Eben war Riedel noch einmal hier und hat mich "besehen" und für ganz gut gefunden.|

Leider darf ich erst morgen hinaus gehen. – Diesen Umständen nach können Toni und ich uns noch nicht bestimmt anmelden, doch denke ich, es wird doch etwas werden. Wir schreiben dann in den folgenden Tagen noch einmal. Hoffentlich bleibt das Wetter für uns so schön!

Nun will ich Dir aber noch einmal danken für Dein Buch und den Brief1]. Eins bitte ich Dich nur, fange Du nicht brieflich mit K. an über mich zu verhandeln. Ein dritter stört leicht. Ich hoffe, daß Du es noch nicht getan! Im übrigen hat K. weder zum Geburtstag noch sonst etwas seit 4 Wochen von sich hören lassen. Einesteils kann es mir ja nur | recht sein, wenn es auch manchmal verletzt.- Bitte nichts davon erwähnen!

Denke Dir, 7 Bücher habe ich noch erhalten: Idealismus von Muff. (von Toni) Er (Muff) selbst hat mir eine Widmung hineingeschrieben, ich will ihm heute noch danken. Gedichte von C. F. Meyer von Papa. Islandfischer von Pierre Loti von Käte. – Hann Klüt v. G. Engel von Käte Held. – Vor 30 Jahren (Auerbach) v. Eugenia. – Möricke v. Tante Else. und Gott grüße Dich (Conrad) von M. v. Döring.

Außerdem habe ich noch soviel schöne Dinge erhalten! Wirklich viel zu viel: BilderMappe v. Richter, Rahel u. , 2 gr. Bilder mit Rahmen, | Regenschirm, Briefbogen u.s.w. Die bewußte Schokolatha bringe ich Dir mit; ich hätte Dir wieder ein Päckchen geschickt, wenn ich nicht krank geworden.

Aber nun noch eine große Freude für Dich. Heute morgen kam ein Brief von Tante Emma mit 300 M für Dich zum Dr. Ist das nicht reizend nett? Danke ihr aber nicht dafür, weil sie es nicht Onkel wissen lassen möchte. Schreibe ihr einmal so und erzähle v. Deinem Studium.

Also Du willst uns auch noch im nächsten Semester untreu sein u. in H. bleiben. Ich freue mich aber für Dich! Wie schade, daß Deine nächsten Freunde nicht auch noch dort bleiben. Hoffentlich treffen wir Dich nicht zu elend an.

Seit 3 Tagen ist Annas Mutter aus Schönfließ hier bei uns, um den Geburtstag (heute) v. Anna mit zu feiern. Die Freude war groß.

Nun aber Schluß! und hoffentlich auf Wiedersehen freitag!!! Herzl. Grüße allerseits.

In herzl. Gedenken
Deine Schwester J.

Lieber Sohn!

Ich danke Dir für Deinen Brief. Hoffentlich ist Euch d. Bummel gut bekommen, es war ja greuliches Wetter; e. Karte von Dir traf noch nicht ein. Schreibe umgehend ob d. Partie Dir gut bekommen ist,– die Geldgabe von Tante E. lege ich für Dich an; wenn nicht zum Dr. Theol. kann sie vielleicht zum Lizentiaten dienen.– Deine Wingolfsdogmatik ist e. schwere Aufgabe, schreibe nicht zu abstrakt,

Gruß u. Kuß
D. tr. Vater
    Entität nicht im Datensatz vorhanden

    Personen:

    Orte:

    Literatur:

    • Engel, Georg, Hann Klüth, der Philosoph, Deutsche Buch-Gemeinschaft, Berlin, 1905. 
    • Muff, Christian, Idealismus. Richard Mühlmanns Verlagsbuchhandlung, Halle a. S., 1890. 
    • Loti, Pierre, Islandfischer, Verlag J. Engelhorn, Stuttgart, 1897. 
    • Auerbach, Berthold, Nach dreißig Jahren, Stuttgart, Cotta, 1876.